Bad Laer/Berlin. Sie verwandelten eine Nummer in einen Namen und eine Akte in ein Schicksal, das betroffen macht: Mit ihrem Theaterstück „Rupprecht Villinger – Recht auf Leben“ beeindruckte die Theater-AG der Geschwister-Scholl-Oberschule nicht nur ihr Publikum. Sie überzeugte auch die Jury des bundesweiten Wettbewerbs „andersartig gedenken on stage“.
Für ihren Beitrag erkannte die Jury den jungen Schauspielern den fünften Preis des Wettbewerbs zu. Fünf der Schüler sind eingeladen, an diesem Wochenende in Berlin gemeinsam mit ihrem AG-Leiter und Regisseur Wolfgang Gerdes die Auszeichnung entgegenzunehmen. Im März ging das Stück über die Bühne der Oberschule – nach Probenarbeiten, die den insgesamt 25 beteiligten Schülern einiges abforderten.
Mit 21 Jahren von Nationalsozialisten ermordet
„Wir haben uns intensiv mit dem Thema beschäftigt“, erinnert sich Karl Bleileven. „Wir wollten wirklich verstehen, was wir da spielen.“ Verstehen, was nicht zu verstehen ist: Rund 300.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Der an Schizophrenie leidende Rupprecht Villinger war eines dieser Opfer. Er starb im Alter von 21 Jahren als Nummer 244 der Tötungsanstalt Grafeneck.
Bürger, die schweigen, Aktivisten, die vergangenes Unrecht ans Licht holen, Politiker, die reden und doch nichts sagen, zweifelnde Juristen, bohrende Journalisten und mitten drin die Stimmen des Gewissens: Villingers Schicksal arbeiteten die Schüler nach einem Textbuch von Wolfgang Gerdes im Rückblick auf, in jener kritischen Auseinandersetzung, die allzu lange unterblieb. Das Theaterstück vermittele vor dem Hintergrund der Biografie zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, würdigte die Jury ihre Leistung: „Die Inszenierung ist qualitativ hochwertig und intellektuell anspruchsvoll“, heißt es in der Begründung zur Preisverleihung.
Wertschätzung für gemeinsame Arbeit
Als eine besondere Wertschätzung der gemeinsamen Arbeit empfindet Wolfgang Gerdes die Auszeichnung. Schließlich setzte sich die Geschwister-Scholl-Oberschule gleich bei ihrer ersten Teilnahme an einem Wettbewerb gegen Beiträge aller Schulformen aus dem ganzen Bundesgebiet durch. Dass es nicht zum ersten Platz gereicht hat, bedauern die Schüler nicht wirklich. Denn der Sieger des Wettbewerbs – die Geschwister-Scholl-Gesamtschule aus Bremen – muss seinen Beitrag vor allen geladenen Gästen in Berlin noch einmal aufführen.
Und die Bad Laerer Oberschüler erinnern sich nur zu gut daran, wie sehr ihnen die Proben für ihre eigenen Aufführungen im März „in den Knochen“ steckten: „Es war nicht einfach, danach mit einem positiven Denken nach Hause zu gehen“, bekennt Karl Bleileven. Trotzdem habe die Arbeit an dem Theaterstück viel Spaß gemacht, betont Anna-Sophie Schumacher. Und dieser Spaß am Spiel auf der Bühne steckt an – umso mehr, wenn er bundesweite Anerkennung findet.
Künftig als „Steckdosentheater“ auf der Bühne
Für die neue Theater-AG der 8. bis 10. Klassen haben sich deshalb 37 Schüler angemeldet. Und die agieren künftig sogar unter einem „richtigen“ Namen: Das „Steckdosentheater“ will seine Zuschauer auch mit dem neuen Stück, das am 26. Februar seine Premiere feiert, elektrisieren. Bereits am ersten Advent steht die Theater-AG der 5. bis 7. Klassen als die „Talentschmiede“ auf der Bühne.
Für Schulleiterin Steffi Baalmann ist das Theaterspiel ohnehin mehr als „nur“ ein beliebtes AG-Angebot: „Das ist ein Projekt der Menschenbildung. Die Schüler erwerben Kompetenzen in vielen Bereichen wie Disziplin, Zuverlässigkeit und Kreativität.“ Und sie lernen, sich selbst etwas zuzutrauen. Die Schule steht deshalb voll hinter ihrer Theater-AG, wie Wolfgang Gerdes immer wieder feststellen darf: „Wir bekommen wunderbare Unterstützung.“
Bericht: Petra Ropers Foto: Marko Georgi