Besuch in Bad Laer

Bad Laer. Einen ebenso lehr­reichen wie beein­dru­ckenden Geschichts­un­ter­richt der beson­deren Art erlebten jetzt die Schüler der Geschwister-Scholl-Ober­schu­le in Bad Laer. Hans Heller war als Zeit­zeuge des Natio­nal­so­zia­lismus ein­ge­laden und berichtete über ver­schwin­dende Juden und vom Glück an der Flak.

Anlass war der 87. Jah­restag der so ge­nannten Macht­er­greifung Hitlers und der Natio­nal­so­zia­listen am 30. Januar 1933.

Zeit­zeugen, die authen­tisch aus eigenem Erleben vom dun­kelsten Kapitel deut­scher Geschichte berichten können, werden durch natür­liches Ableben immer sel­tener. Heller, Jahrgang 1927, stand den Schülern der Jahr­gangs­stufen sieben bis zehn über das all­täg­liche Leben im Natio­nal­so­zia­lismus Rede und Antwort. Inhalt­liche Schwer­punkte waren Schule und Erziehung, die Hitler Jugend (HJ), Jugend­liche als Helfer am Flak-Geschütz sowie die Aus­grenzung der jüdi­schen Bevölkerung.

Die mode­rie­renden Schüler Malina Nieb­rügge, Patricia Kletke, Julius Brandt und Fabian Brick­wedde hatten sich Fragen im Wahl­pflichtkurs Politik der Klassen 9 und 10 unter dem Kon­rektor Klaus Ber­delmann erar­beitet. In Fragen zu seiner Kindheit und Jugend blieb Heller ebenso offen wie auch zu seinem spä­teren Dienst als Flak­helfer der Luft­waffe der Wehr­macht. Zur Hit­ler­jugend habe er sich bereits im Alter von neun Jahren frei­willig gemeldet, obwohl der Ein­tritt erst mit zehn möglich war.

Jüdische Mit­schüler verschwanden

Die Päd­agogen und der Unter­richt waren zwar über­wiegend vom Geist des Natio­nalsozialismus indok­tri­niert, aber es habe auch Aus­nahmen gegeben. Er könne sich noch gut an ein Reclam-Heft im Deutsch­un­ter­richt „Nathan der Weise“ von Lessing erinnern. Ras­sen­kunde wurde an all­ge­mein­bil­denden Schulen als Unter­richtsfach nicht gelehrt, so Heller, aber in Lehr­ma­te­rialien im Fach Biolo­gie spielte das durchaus eine Rolle. Wenn jüdische Mit­schüler aus der Klasse ver­schwanden, wurde das ent­weder nicht näher hin­ter­fragt oder mit Aus­flüchten beant­wortet. Von den Kon­zen­tra­ti­ons­lagern wusste man zwar, die Ver­nich­tungs­lager in Polen waren dagegen weithin nicht bekannt, so Heller.

Als junger Soldat im Krieg habe er viel Glück gehabt. Zum einen war er in Itali­en ein­ge­setzt und nicht in Russland und zum anderen sei er als Flak­helfer ohne unmit­tel­baren Front­einsatz „Auge in Auge“ geblieben. Einen Orden als Flak-Kampf­ab­zeichen nach einem bestimmten Punk­te­system für Abschüsse habe er auch erworben. Seinen Dienst an der Flak habe er auch lieber ver­richtet, als Zuhause dem viel­fachen Bom­bar­dement der Alli­ierten in den deut­schen Städ­ten aus­ge­setzt gewesen zu sein, wie es die Zivil­be­völ­kerung war. Darüber hin­aus fügte sich sein Kriegs­dienst in Italien insofern glücklich, als er in ame­ri­ka­nische Gefan­gen­schaft geriet, mit früh­zei­tiger Ent­lassung bereits 1947.

Ob es eine Schuld der Deut­schen am Krieg gebe, fragte Patricia Kletke eher rhe­to­risch. Hellers unmiss­ver­ständ­liche Bejahung war die spontane Antwort, „schließlich hat Deutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Welt­krieg ausgelöst”.

“Misch­linge” in der Familie

Auch von seinem unmit­tel­baren per­sön­lichen Umfeld aus der Familie wusste Heller zu berichten. Seine Halb­schwester mit jüdi­scher Abstammung als “Misch­ling erster Ordnung” nach den Nürn­berger Ras­se­ge­setzen von 1935 durfte einen soge­nannten Arier nicht hei­raten, sein Halb­bruder, eben­falls mit jüdi­scher Ab­stammung und Mischling erster Ordnung habe die Feldzüge in Polen 1939 so­wie in Frank­reich 1940 noch mit­ge­macht, sei dann aber aus der Wehr­macht ent­lassen und beim Bau des West­walls ein­ge­setzt worden. Später war ihm die Flucht in die Schweiz gelungen.

Warum er wie­derholt als Zeit­zeuge auf­trete? Er mache das seit 20 Jahren als Beitrag zur Bewäl­tigung jüngster deut­scher Geschichte und vor allem als Mahnung an ein „Nie wieder“. Passend über­reichte Schul­lei­terin Ste­phanie Baalmann dem Refe­renten zum Dank eine weiße Rose, sym­bo­lisch für die Wider­stands­gruppe „Weiße Rose“ der Geschwister Sophie und Hans Scholl, Namens­geber der Oberschule.