Bad Laer. 14 Jahre ist es her, dass Hans Heller zuletzt zu Gast in der Geschwister-Scholl-Ober­schule war. Damals wie heute sind es die per­sön­lichen Erleb­nisse, aber nicht zuletzt die Gräuel der Herr­schaft der Natio­nal­so­zia­listen, die ihn moti­vieren, jungen Men­schen vom Unsäg­lichen, aber auch vom Alltag zu berichten.

Für zwei Tage ist der 90-Jährige dafür in den süd­lichen Land­kreis gekommen. An eben jene Schule, die die Zeit zwi­schen 1933 und 1945 in ihrem Namen trägt. Hans und Sophie Scholl und ihre Freunde von der Uni­ver­sität in München übten Wider­stand gegen das Regime und bezahlten dafür 1943 mit ihrem Leben. „Das stand nicht am nächsten Tag in der Zeitung“, machte Hans Heller deutlich. Die Nazi-Pro­pa­ganda schwieg sich über solche Vor­komm­nisse aus. „Davon haben wir erst nach dem Krieg erfahren“, erläu­terte der pro­mo­vierte Jurist aus Köln.

Schü­ler­fragen

Sieben Klassen der Jahr­gänge sieben, neun und zehn stellte er sich an zwei Tagen als Gesprächs­partner zur Ver­fügung. Und war begierig, die Fragen der Schüler zu beant­worten. Und davon gab es viele: „Wie lange hat es gedauert, bis Sie nach dem Krieg Ihre Familie wieder gesehen haben“, machte Klas­sen­sprecher Paul im Jahrgang zehn den Anfang. Und hakte nach: „Wie waren die Lehrer poli­tisch eingestellt?“

„Das ist eine ganz prima Frage“, freute sich Hans Heller. Knapp sechs Jahre alt sei er gewesen, als die Nazi-Dik­tatur begonnen hatte. 18 Jahre, als der Krieg beendet war. „Alle wussten, dass wenn man etwas Kri­ti­sches über das Regime sagt, die Gestapo kommt und einen in ein Kon­zen­tra­ti­ons­lager bringt.“ Dass es diese gab, sei bekannt gewesen. Welche Grau­sam­keiten dort begangen wurden, hin­gegen erst später. An freier Mei­nungs­äu­ßerung hatten die Nazis kein Interesse. „Auch Wahlen gab es nicht mehr, die letzten 1933 und danach nur eine Partei.“

Nuscheln beim Hitlergruß

Dennoch hätten einige Lehrer es ver­standen, ihre non-kon­forme Haltung zum Aus­druck zu bringen. Einer, indem er die Pflicht zum Hitler-Gruß durch Nuschelei kaschierte und den Schlüs­selbund mit aus­fah­render Arm­be­wegung vor­führte. „Ein anderer ver­teilte gratis Reclam-Hefte an uns.“ „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Oder „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller. „Das war damals ver­botene Lektüre“, klärte Heller auf.

Viele Jahre später habe er auch ver­standen, warum einer der Lehrer zum Schul­jah­resende seine Vor­liebe für die Wei­marer Ver­fas­sungs­ge­schichte betont habe. „Das waren Methoden, mit denen sie uns zum Nach­denken gebracht haben.“

Ver­tuschte Niederlagen

„Was haben Sie vom Krieg mit­be­kommen?“, will ein anderer Schüler wissen. „Es gab eine aus­führ­liche Bericht­erstattung“, erläu­terte der 90-Jährige. „Die Nazis haben es lange ver­standen, ihre Nie­der­lagen zu ver­tu­schen. Und so lange es Siege gab, gab es Sondermeldungen.“

Flak-Helfer bei der Luft­waffe war Hans Heller als Jugend­licher. Er kam zum Militär und wurde nach Italien an die Front geschickt. Zwei Jahre erlebte er anschließend ame­ri­ka­nische Kriegs­ge­fan­gen­schaft. „Seit Anfang 1944 haben wir gewusst, dass wir den Krieg nicht gewinnen können. Die Nie­derlage hatten wir erwartet. Aber wir hatten nicht begriffen, dass wir damit auch von der Dik­tatur der Nazis befreit wurden.“

Ob er Angst gehabt habe? Eher im Luft­schutz­keller als an der Flak, erklärte Heller. „Da konnte man ja aktiv etwas tun gegen den Gegner.“ Und die Juden? „Dass sie abgeholt wurden, wusste man schon“, so der Zeit­zeuge. Und er erzählte von dem Jungen aus der Nach­bar­schaft, dessen Vater angeblich auf Reisen war. Und von dem älteren Ehepaar, das weg­ge­führt wurde. „Aber von der Mas­sen­ver­nichtung haben wir nichts erfahren. Die Nazis haben sich große Mühe gegeben, das nicht bekannt werden zu lassen.“

Kon­rektor Klaus Ber­delmann und Geschichts­leh­rerin Sophie Schulz hatten den Besuch von Heller orga­ni­siert. „Es ist uns wichtig, dass hier Men­schen zu Gast sind, die reflek­tiert über die Zeit und das Thema berichten“, machte Ber­delmann dabei deutlich. Für Schulz steht außer Frage, dass es in Zukunft weitere Gespräche und Begeg­nungen geben soll und wird. Kon­kretes, so die Leh­rerin, sei derzeit aber nicht geplant.

Wir doku­men­tieren den Noz-Artikel vom 20.12.2017. Text und Bild: Alex­ander Heim